Im vergangenem Jahr überraschte mich meine Cousine mit der Frage: “Kannst du mir dieses Kleid nähen?” Auf dem Foto war ein Kleid mit ganz viel Tüll zu sehen. Sie erzählte mir, dass sie dieses Kleid nur aus Liebe zu ihrem Mann tragen möchte. Schon zu grünen Hochzeit hätte er sie gern in einem Vokuhila -Brautkleid gesehen. Diesen Wunsch möchte sie ihm nun gern zur Silberhochzeit erfüllen, obwohl diese Beinfreiheit überhaupt nicht ihr Ding sei. Bei so einer großen Portion Liebe konnte ich doch nur Zusagen. Ganz wohl war mir allerdings nicht und so knüpfte ich meine Zusage an eine Bedingung, ich benötige ein Schnittmuster.
Ich war mir sicher, dass ich in meinem Fundus kein Schnittmuster dieser Art finden würde und auch meine Netzsuche blieb ergebnislos. Manchmal überkam mich sogar der heimliche Gedanke, dass ich bei fehlendem Schnittmuster kein Kleid nähen bräuchte. Die Braut aber blieb hartnäckig und übergab mir nach einigen Wochen ein Burda Modemagazin aus 2006. Total fasziniert blätterte ich in diesem tollen Magazin und fand das Modell 125 als Grundlage für ihr Kleid sehr passend.
Eine bessere Alternative konnten wir nicht finden und im Herzen war ich längst vom Schnittmuster überzeugt. Das Projekt Probekleid begann dann im Frühling. Ich war total gespannt wie sich meine Cousine in diesem Kleid fühlen würde. Ein Kleid, welches sie ausschließlich ihrem Mann zu liebe tragen würde…
Das Nähen des Probekleids hat mir große Freude bereitet. Dank der wirklich sehr guten Nähbeschreibung im Burda Modemagazin bin ich gut vorangekommen. Als Material habe ich ausrangierte Gardinen und alte Bettwäsche verwendet.
Nach erfolgter und eigentlich erfolgreicher Anprobe stand die Umsetzung eines Vokohila-Kleides fest. Damit war es Zeit sich nach Stoffen umzusehen. Mir war bewusst, dass die Suche bei konkreten Farbvorstellungen besonders schwer sein wird und schon deshalb hielt ich mich zurück 🙂 Wenn ich mich recht erinnere, war die Suche nach den passenden Stoffen sehr zeitaufwendig und ohne Stoffproben nicht machbar. Für das Oberteil wünschte ich mir einen Stoff mit Elasthan und tatsächlich hat sie ihr Lieblingsmaterial Leinen mit einem Stretchanteil gefunden. Vielleicht ist es auch kein Leinen, aber zumindest kommt er optisch Leinen ganz nah. Farblich musste sie Abstriche in Kauf nehmen. Zu gern hätte sie genau die Farbe vom Bild gehabt. Unsicher war sich Doreen auch von der Kombination beider Farben. Ich war begeistert und vermutlich habe ich sie damit auch überzeugt. Zumindest hat sie von geplanten Färbeversuchen Abstand genommen.
Das Probekleid war inzwischen nur noch eine grobe Anlehnung und vom tatsächlichen Tüllverbrauch fehlte mir absolut die Vorstellung. So kaufte Doreen einen große Menge Tüll und auch das Material für das Oberteil stand mir in großzügiger Menge zur Verfügung. Ehrlich gesagt, das war einfach grandios. Ich konnte somit entspannt den Tüll zuschneiden mit dem Wissen, dass ich Unmengen zur Verfügung habe.
Doreen gefiel die Passe am Kleid nicht und so war ich gezwungen ein passendes Oberteil zu suchen. Fündig wurde ich in einer meiner Burda Zeitschriften, ein Schnittmuster für ein klassisches Top. Nach der erfolgten Zusage zum ausgesuchten Oberteil begann ich im Frühsommer dieses Herzensprojekt.
Um dem Oberteil eine gute Form zu geben, habe ich es doppelt zugeschnitten. Da wir nicht sicher waren, wie blickdicht der Tüll am Ende sein wird, gab es eine untere Rockschicht (nach Schnittmuster) aus dem Leinenstoff. Dies alles nur grob zusammengenäht folgte die erste Anprobe mit dem Ergebnis, dass Abnäher im Vorder- und Rückenteil von Vorteil wären. Nach einer weiteren Probe und den gelungenen Abnähern konnte der RV (war im Schnittmuster nicht vorgesehen) im Rückenteil eingenäht werden.
Über der untersten Rockbahn (aus Stoff) folgten nun die ersten Tüllschichten nach Schnittmuster. Diese habe ich allesamt mindestens doppelt zugeschnitten. Ziel war es, den Tüllrock so voluminös wie nur möglich genäht zu bekommen. Mehr Tülllagen wollte ich aber auch nicht verwenden, weil die Ansatznaht dann auch durchs Reihen zu dick geworden wäre.
Für die weiteren Tülllagen plante ich ein separates Rockteil und zum Glück war die Braut überzeugt. Die einzelnen Lagen bestehen aus Tüllbahnen in unterschiedlichen Höhen. Einige Lagen sind sogar im Stoffbruch zugeschnitten, d.h. den Saum habe ich im Bruch gelegt. Da der Tüllrock schön wild aussehen sollte, habe ich bei einige Lagen die Saumkante in Abständen nach oben in den Bund gelegt. Und immer wieder gab es heimliche Zwischenproben.
Anfangs war ich wirklich ziemlich skeptisch und habe meine “Zustimmung” heimlich verflucht. Meine Lieblingscousine ist nämlich auch selbst sehr kreativ, in ihren Arbeiten sehr anspruchsvoll und ich war mir nicht sicher, ob ich ihr Kleid nach ihren Vorstellungen (“Genau so wie auf dem Bild”) umsetzen kann. Aber bei jeder Anprobe legte sich meine Unsicherheit und der Spaßfaktor und die Freude wurden immer größer.
Die Länge einzelner Tülllagen wurde am fertigen Kleid zurechtgeschnitten. Was für ein Vorteil, wenn man nicht Säumen muss 🙂 Dann war es soweit, ich konnte das Kleid zur Aufbewahrung mit großer Erleichterung an meine Cousine überreichen.
Den aller letzten Schliff bekam das Kleid wenige Tage vor der Feier am vergangenen Wochenende. Der Überrock wird mit Druckknöpfen geschlossen und passend zum “Schulterwärmer” gab es eine Blüte als schmückenden Knopfverschluss. Weder bin ich am tollen Strickoberteil, noch an der Blüte und auch nicht an den Druckknöpfen beteiligt gewesen. Von der Trauzeugin wurde der wunderschöne Schulterwärmer samt Blüte gestrickt und die Druckknöpfe hat die Braut selbst angenäht.
Tadaaaa, hier kommt die Braut :)…
Und nun zeige ich euch noch die Inspirationsgrundlage. Wenn ich ihr Kleid frisch drapiert habe, dann war das Volumen nahezu vergleichbar. Uns war bewusst, dass es nicht dauerhaft halten wird. Letztendlich war es egal.
Ihr Mann war zu Tränen gerührt, als sie mit ihrem großen Sohn zu ihm geführt wurde. Später hat sie mir erzählt, dass er ihr ganz oft ins Ohr geflüstert hat, wie “Hammer” sie in dem das Kleid aussieht. Kein Wunder das Doreen als große Frostbeule trotz der wirklichen kalten 12 Grad bis in die Nacht in ihrem Kleid gefeiert hat.
Lieben Dank für dein Vertrauen. Mit Hagens Wunschkleid musste ich meine Komfortzone ein Stück weit verlassen. Freestyle nähen war mir bislang immer suspekt, grundsätzlich bin ich Team Schnittmuster. Hier hat jedenfalls alles funktioniert und ich bin wirklich begeistert von diesem Kleid.
Und stellt euch vor, sie wird wohl jetzt öfter zum Kleid greifen …Was für ein großartiges Kompliment 🙂
Der Hammer! Da bist du echt über dich hinausgewachsen und Hollywood mit seinem roten Teppich kam einpacken!
Super!
LG Miriam
Das Kleid ist wundervoll geworden.
Darauf darfst du stolz sein.
Liebe Grüße von
Heike