Ich hätte gern einen uns unbekannten Gipfel bevorzugt, aber mein Mann wollte zu gern nochmals auf den Madrisella. Seine einzige Bedingung, den Rückweg dieses Mal nicht über die Alpe Nova zu wählen.
Wir konnten uns noch gut an die großen Schneefelder erinnern und auch, dass wir mit vielen weiteren Wanderern den Abstieg über das Matschuner Joch durch das Nova Tal gewählt hatten.
Die Gesteinsbrocken sind neu
Selbst wenn ich meinen Blog Post vom 31.07.2021 vorab gelesen hätte, wären wir auf den anfangs steilen und steinigen Weg nicht vorbereitet gewesen. Der damalige Post lässt diese Herausforderung nicht erkennen. Wir konnten uns nicht erinnern, über einen so langen Wegabschnitt auf ausschließlich Gesteinsbrocken gewandert zu sein und hätten fast behauptet, dass die Gesteinsbrocken neu aufgeschüttet worden sind. Wenn die rot/weißen Markierungen nicht gewesen wären, hätten wir wohl nach dem “richtigen” Weg für den Aufstieg gesucht. Aus anfänglicher Gelassenheit wurde nun hochkonzentriertes und stilles Wandern.
Nicht immer waren die Markierungen so offensichtlich wie auf dem rechten Bild. Dann suchten wir ringsum die Steine ab, bis wir einen Hauch rot erkennen, manchmal auch nur noch erahnen konnten (Beispielhaft das untere Foto). In meinem “Das Große Vorarlberger Gipfelbuch” wird dieser Abschnitt für ältere Kinder als abwechslungsreich und abenteuerlich beschrieben. Ergänzen würde ich an dieser Stelle, die unbedingte Trittsicherheit.
Unwetterwarnung und scheinbar allein unterwegs
Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden die Gesteinsbrocken von einem Weg abgelöst. Stilles Aufatmen bis zu der überraschenden Nachricht einer Unwetterwarnung, angezeigt auf der Uhr meines Mannes. Wir schauten uns den Himmel an, drehten uns einmal im Kreis und konnten aufziehenden Wind und tief hängende Wolken feststellen. Nachdenklich nahmen wir bewusst wahr, dass wir scheinbar allein unterwegs waren. Schweigend liefen wir weiter, weil der Weg flacher und vor allem breiter und der Wind wieder weniger wurde.
Dann näherten sich zwei sportliche Wanderer und ziehen an uns vorbei. Was für eine Freude, doch nicht allein unterwegs zu sein. Den Versettla (2.372 m) nehmen wir nur wegen der Steinmännchen war, denn unser Blick richtet sich zum sichtbaren Gipfelkreuz des Madrisella.
Am Gipfel und die Frage nach dem Abstieg
Noch schweigen wir über das Thema des Abstiegs. Der Weg über die Gesteinsbrocken wird definitiv kein Zuckerschlecken. Ob wir aus diesem Grund damals den längeren Abstieg über das Matschuner Joch gewählt hatten? Wir wissen zu gut, wie der lange Abstieg aussieht. Ganz besonders das letzte Stück nach der Alpe hoch zur Nova Stoba und damit zur Bergstation hatte es in sich.
Der letzte Anstieg bis zum Gipfel fordert uns nochmals heraus. Neben den sportlichen Herren, sind noch weitere 5 Personen auf dem Gipfel. Alle sind schon in Aufbruchstimmung, so dass wir den Gipfel zu zweit genießen können. Ein unbeschreibliches Gefühl dem Gipfelkreuz so nah zu sein. Es ist 13.24 Uhr. Wir freuen uns und sind unfassbar stolz auf uns.
Wir nehmen uns kurz Zeit für einen Powerriegel und genießen unser Wasser. Wie weiter, dass ist die große Frage. Wir schieben diese Entscheidung bis zur Weggabelung auf und gehen dann erneut auf “alten Pfaden” in Richtung Alpe Nova. Es gilt keine Zeit zu verlieren, denn die letzte Gondel fährt 17 Uhr. Uns bleiben noch etwas mehr als 3 Stunden bis zur Bergstation. Über lange Strecken sind wir allein unterwegs. Insgesamt kommen uns nur 6 Gleichgesinnte entgegen. Viel später werden wir von einem Heranwachsenden überholt. In einer unglaublichen Schnelligkeit vergrößert er den Abstand zu uns und wir werden ihn bis zum Schluss nicht wiedersehen.
Der Abstieg ist vermutlich nicht weniger schwierig, als über die Gesteinsbrocken beim Aufstieg. Der steinige Weg wird immer wieder von Wasserläufen überspült, weshalb es ziemlich rutschig ist. Auf Schneefelder müssen wir verzichten und vermutlich erscheint uns daher der viel Weg länger.
Letzter harter Aufstieg mit Hindernissen
Endlich sind wir im Tal angekommen und der Weg wird leichter. Am Horizont konnten wir schon die Nova Stoba erkennen und haben schon jetzt Respekt vor dem letzten Abschnitt. Der wird hart, aber dabei soll es in diesem Jahr nicht bleiben. Immer wieder schauen wir auf die Uhr und gönnen uns keine Pause.
Wehmütig ziehen wir an der Alpe Nova vorbei, weil die Zeit drängt und der Aufstieg zur Nova Stoba mit der Bergstation uns viel Kraft abverlangen wird. Wir hoffen auf ein rechtzeitiges Ankommen in der Nova Stoba, um wenigstens dort ein kühles Getränk bestellen zu können. Zwischen uns ist nur noch das Klacken der Wanderstöcke zu hören. Für Unterhaltungen fehlt uns der Atem.
Tierische Herausforderung
Wir bewältigen den alpinen steilen Aufstieg von Kurve zu Kurve und stehen plötzlich einer großen Herde gegenüber. Bis hier war also die Herde, welche wir zu Beginn unserer Wanderung beobachtet hatten, inzwischen getrieben worden. Hatte ich nicht erst in den Nachrichten gelesen, dass eine Frau von einer Herde totgetrampelt worden ist? Versteinert blieben wir eine ganze Weile am Wegesrand stehen und gaben den ersten Tieren großzügig den Vortritt. Einige kamen direkt auf uns zu, mitten auf dem Weg, andere liefen mit gelangweilten Blick, aber deutlichem “Muuuuuh” an uns vorbei. Mein starker Mann übernahm dann die Initiative und lief wie ein Fels den Weg weiter bergauf. Ganz nah, in seinem “Windschatten” schlich ich hinterher. Irgendwann kamen die vermeintlichen Hirten mit ihren Stöckern und trieben die Herde weiter voran.
Nur noch wenige Kurven und dann war endlich die Nova Stoba sichtbar. Um 16.25 Uhr gaben wir die Bestellung für zwei große Radler auf. Für den Moment hätte ich schwören können, noch niemals etwas Köstlicheres getrunken zu haben.
Mit dem Madrisella hatte unser kurzer Wanderurlaub ein tolles Ende gefunden. Auch wenn die Wanderung anspruchsvoll und anstrengend war, mit mehr Zeit kann sie garantiert auch genussvoll sein. Bis auf die anfänglichen Gesteinsbrocken waren die weiteren Wege im Vergleich zu unseren Erlebnissen zur Geißspitze (2021) gut zu bewältigen.
Liebst Birgit
Wir haben Bludenz bisher wiederholt nur als Endziel unserer Bahnreise mit dem direkten Nachtzug Richtung Schweiz kennengelernt. Jedesmal sind wir danach Richtung Davos oder St. Gallen mit dem Auto weiter gefahren. Immerhin konnten wir die Wohnung des in Bludenz lebenden Freundes als Stützpunkt benutzen. Und haben mit besagtem Freund auch einen kleinen Stadtspaziergang gemacht. Und nun weiß ich auch was wir uns bei einem weiteren Besuch anschauen könnten. Gesetzt den Fall der Beste lässt sich zu einer Wanderung überreden. Seit der Pandemie ist er diesem Thema gegenüber immerhin aufgeschlossener als davor 😉
Ich habe euch jedenfalls gerne auf euren Wanderungen begleitet, für mich waren sie ja weniger anstrengend als für euch 😉
Liebe Grüße, heike
Liebe Heike,
ich muss gerade Schmunzeln. Ich kenne Graz und Umgebung auch nur auf der Durchreise in Richtung Kroatien. Bei deinen Monatsspaziergängen denke ich so oft über einen Zwischenstopp nach. Aber irgendwie wollen wir die weite Anreise einfach hinter uns bringen und nach der Zwischenübernachtung in deiner Gegend, endlich in Mitteldalmatien ankommen. Außerdem ist das Wandern bei deinem Mann auch seit Pandemie nicht mehr völlig ausgeschlossen, auch da teile ich deine Erfahrung. Ganz lieben Dank für deinen Kommentar überhaupt und natürlich dein Feedback. Du kannst garantiert nachfühlen, wie sehr man sich über einen persönlichen Gruß freut. Meinen Sonntagsspaziergang nach unserer Ankunft in Bludenz kann ich dir auf jeden Fall wärmstens empfehlen.
Beste grüße Birgit
Liebe Birgit, wir sind immer mal wieder Zwischenstation von Familie und Freunden aus Nordbayern Richtung Kroatien. Melde dich doch mit ein bisschen Vorwarnung, wenn ihr mal wieder an Graz vorbeikommt. Sofern mit dem Arbeitstag vereinbar, mache ich gerne eine Stadtführung.
Liebe Grüße, heike