Veiiko von Hansedelli gesehen und gekauft, weil ich natürlich den geplanten Urlaub im Blick hatte. Das der Rucksack auch als Board Gepäck geeignet ist, hat meinen schnellen Einkauf wohl auch entscheidend beeinflusst. Klar war auch, dass die Umsetzung ein etwas langwieriges Projekt sein wird und ich den Beginn nicht ewig aufschieben kann.
Zuerst stand die entscheide Frage nach den Farben und Materialien im Raum. Was hier in einem kurzen knappen Satz formuliert ist, war eine mehrtägige Entscheidungsfindung. Nur eines stand ganz sicher fest, es wird kein Kunstleder zum Einsatz kommen. Von diesem Material nehme ich aus Gründen nun Abstand.
- Hier ein Beispiel für das sich auflösende Kunstleder. Die obere Schicht bröselt direkt ab. Gleiches bei meiner Kosmetiktasche. Die Tasche habe ich nach unserem Urlaub direkt entsorgt. Ich habe leider kein aussagekräftigeres Foto für euch.
Wie gut das es inzwischen eine Nähfreundin in meinem Leben gibt. Vor einigen Jahren hatte mich Kathleen (silberhummel70) über Instagram zu einem Blusen-Schnittmuster befragt. Aus einem anfangs losen Kontakt können wir uns inzwischen in stundenlangen Telefonaten über unser Hobby austauschen. Kathleen hat ein stilsicheres Händchen bei all den Projekten, welche ich eher selten unter der Nähmaschine habe. Sie hat vor allem im Bereich der Patchwork – Stoffe ein umfassendes Wissen. Über ihr Wissen der namentlichen Kollektionen und der entsprechenden Designer bin ich regelmäßig fasziniert. Schade das sie viele ihrer tollen und vor allem exakt genähten Projekte so selten der Öffentlichkeit zeigt.
Bei meiner Material – Auswahl standen wir in ganz engem Kontakt. Bei diesem Rucksack kann man sich designmäßig wahrlich austoben, denn eine Menge Details laden zu Stoffexperimenten ein. Wie gut wenn da jemand ist, der einen erdet. Aus Erfahrungen ermahnte sie mich zB. einen unifarbenen bzw. wenn es unbedingt sein muss, einen dezent gemusterten Innenstoff zu verwenden. Man suche andernfalls ewig nach den kleinen Dingen, so Kathleen. Meine gesamte Vorauswahl wurde sozusagen von ihr gestrichen, abgesegnet und Unsicherheiten ausgeräumt.
Die Nähanleitung umfasst insgesamt 105 Seiten. Noch nie hatte ich ein so umfangreiches Schnittmuster in den Händen. Nachdem die Stoffauswahl feststand, begann ich sämtliches Material entsprechend der Liste zusammenzutragen, auch immer mit dem Blick auf Vorhandenes und der Abwägung, was ich beim Rucksack konkret umsetzen möchte bzw. welches Material nicht gebraucht wird. Viele Stunden später habe ich dann aufgegeben. Aufgrund des umfangreichen SM verliert man irgendwann den Überblick. Mir war irgendwann nicht mehr klar, was ich konkret bei welcher Umsetzung benötige. Meine erste Bestellung bestand daher aus dem Gurtband, dem endlos RV mit den vielen zusätzlichen Zippern und natürlich den Stoffen. Bei den Stoffen habe ich tatsächlich nur die Hauptstoffe, also den mit den Blumen und den passenden karierten Stoff gekauft. Der dunkelblaue Baumwollstoff sowie die Innenstoffe sind aus meinen Abo-Boxen bzw. aus vergangenen Bestellungen von DMIN. Auch das Mesh hatte ich in meinem Fundus, sowie eine gewisse Menge an Vliesen. Bereits nach dieser ersten Bestellung war mir klar, dass ein gekaufter hochwertiger Rucksack preislich die bessere Wahl gewesen wäre 🙂 Veiiko – also ein Liebhaberstück.
Natürlich schreibt auch Lisa in ihrem Handbuch, dass man das gesamte SM unbedingt erst einmal durchlesen soll. Auch nach mehrmaligem Lesen wäre ich bei den jeweiligen Arbeitsschritten vermutlich nicht schlauer gewesen bzw. hätte das Gelesene bis dato wieder vergessen. Ich habe dann einfach mal angefangen und Seite für Seite abgearbeitet. Fasziniert und mit großer Bewunderung entstanden so die ersten Teile meines Rucksacks.
Ich hatte noch gar nicht erwähnt, dass ich bei Ankunft des Stoffes zunächst etwas enttäuscht gewesen bin. Die Blumen hatte ich mir viel heller vorgestellt. Tatsächlich waren sie eher beige und ich hatte Sorge, dass der Rucksack nun zu dunkel werden könnte. Kathleen war trotzdem überzeugt von unserer gesamten Materialauswahl und sicher, dass alles gut harmonieren wird.
Lisas SM sind grundsätzlich absolut präzise, perfekt in der bildlichen Darstellung und definitiv passgenau, Veiiko gleicht fast einem Buch. Das SM muss unfassbar viele Arbeitsstunden umfasst haben. Das E-Book nutzt außerdem interaktive Elemente. Mit Hilfe von Klicks auf bestimmte Elemente öffnen sich zB. externe Links oder man gelangt zum Inhaltsverzeichnis zurück. Lisa verkauft dieses SM definitiv weit unter dem Wert und ich habe mir über die gesamte Nähzeit die Frage nach dem Warum gestellt. Mit 9,90 Euro bis 12,90 Euro kann das nicht annähernd kostendeckend sein. Immer wieder verglich ich Veiiko mit dem “Cuff Top” von The Assembly Line. Das Cuff Top habe ich mir wegen des Preises von mindestens 24 Euro in Bezug auf das doch recht einfach konstruierte SM bisher nicht gekauft.
Mit meiner unvollständigen Materialbestellung war klar, dass ich irgendwann nicht weiter kommen würde. Unter Beachtung meiner Zeit bis zur tatsächlichen Nutzung fand ich das nicht schlimm. Mit den bis dato entstandenen Teilen wuchs meine Vorstellung für erforderliche Gadgets vorteilhaft, so dass alle restlichen Materialen besser zusammenzustellen waren. Klar hätte ich auch Lisas Liste komplett übernehmen können, für übrige Kleinteile findet sich ggf. später immer noch eine Verwendung. Beim Anblick meiner ersten Wunschliste und dem ausgewiesenen Preis bekam ich allerdings kurz Schnappatmung und zwangsläufig setze ein Umdenken ein 🙂
Beim Zuschneiden der Teile bin ich in Etappen vorgegangen. Unbedingt wollte ich erst nach Fertigstellung von Vorder- und Rückenteil die Entscheidung zu den Seitenteilen einschließlich dem Flaschenfach treffen. Zum ersten Mal habe ich meine Presse zum Aufbügeln der Vliese verwendet. Schon ewig wollte ich das Aufbügeln von Vlies mittels Presse probieren. Erst mit Kathleens Schwärmen von diese überzeugende Arbeitserleichterung war ich mutig genug. Was soll ich sagen, ein Traum und nie mehr ohne Presse.
Endlich konnte ich dieses überzeugende Statement – Webband in Szene setzen.
Nach Eintreffen aller weiteren Materialien (Metallteile) konnte ich meinen Rucksack Step by Step vollenden. Es war nicht so, dass ich bei allen Arbeitsschritten direkt wusste, was Lisa meint. Hin und wieder musste ich ihre bebilderte Darstellung zoomen und erst dann wurde Licht :). Ich habe mich absolut an ihre Arbeitsschritte gehalten. Lediglich bei den fehlenden Kleinteilen bin ich zum nächsten Arbeitsschritt gegangen. Diese wurden dann aber auch insgesamt jeweils abgearbeitet.
Veiiko ist ein anspruchsvolles Projekt, aber mit der vorliegenden, unfassbar ausführlichen Anleitung auf jeden Fall gut (ohne Zeitdruck) umzusetzen. Ich habe nicht bereut, dass ich die Bestellungen in mehreren Schritten vorgenommen habe (trotz der jeweiligen Versandkosten). Dann endlich war es Zeit für erste Fotos.
Eigentlich sollte mein Rucksack erst mit unserer Reise nach New York seinen ersten Auftritt erhalten. Noch vor unserer Reise stand ein Kurztrip zur Einschulung nach Frankfurt an. Die perfekte Generalprobe für den richtigen Trip…
… mit einer bösen Überraschung.
Kurz vor Abfahrt (mit der Bahn) wollte ich noch schnell meine Sonnenbrille im hinteren Fach unterbringen. Der Rucksack war insgesamt nicht überfüllt gepackt. Beim Schließen des RV riss dieser dann an der Naht aus. Ich war total entsetzt. Zum Umpacken war es zu spät , also sicherte ich den Abschnitt mit einer Sicherheitsnadel. Was konnte passiert sein. Sollte ich etwa den RV unwissentlich verletzt haben? Die Antwort musste bis zur Rückkehr warten. Trotz des defekten RV hatte ich ein tolles Gefühl bei der ersten Nutzung meines Veiiko. Nach Rückkehr begann ich mir das Dilemma anzuschauen. Was wenn der RV diese Belastung nicht aushalten kann? Das wäre der wohl größte Alptraum. Im entsprechenden Abschnitt begann ich mit dem Auftrennen. Es war nicht mehr erkennbar, ob ich den RV beim Kürzen der Nahtzugabe verletzt habe. Ich redete mir ein, dass ich wohl beim Kürzen der Nahtzugabe an dieser Stelle nicht aufgepasst hatte.
Auf ein vollständiges Heraustrennen hatte ich weder Lust, noch hielt ich es für nötig. Ich “flickte” das RV-Band durch Aufnähen eines farblich passenden Baumwoll-Bandes und unter Verwendung von Vlieseline (siehe Bilder). Aufgrund der Blende ist der RV ohnehin nicht sichtbar, so dass ich meine Korrektur für gut befand. Gerettet, so jedenfalls mein Gedanke.
Dann war es Zeit für unsere Reise nach New York City zu packen. Ich mache es kurz. Der RV zeigte an weiteren Stellen Risse. Dass ich derart oft den RV verletzt haben soll, schließe ich ehrlich aus. Offensichtlich ist der optisch wunderschöne RV für den Einsatz eines Gepäckstückes nicht geeignet. Das Webband des RVs ist durch das schöne Streifendesign anders und fühlt sich eher nach einer Chemiefaser an. Ich kann nur sagen Hände weg. Kauft euch einen RV mit dem üblichen Baumwollgewebe. Bei den nachfolgenden Foto könnt ihr das Dilemma gut erkennen.
Ich habe auch Kontakt zum Shop aufgenommen, um von dem ggf. nicht so wirklich gut belastbaren RV zu berichten. Ich dachte, dass dies dann bei der Beschreibung zur Verwendung des RV beigefügt werden kann. Die Antwort darauf war, dass grundsätzlich hochwertige Materialien angeboten werden und im eBook von Lisa an der langen Seite der RV eingeschnitten werden muss… Okay, diese Stelle habe ich auch nach gezielter Suche nicht finden können und grundsätzlich widerspricht es der Aussage von Lisa in den von mir bekannten SM, nämlich den RV beim Kürzen von Nahtzugaben bloß nicht zu verletzten.
Ich war hin und hergerissen, denn eigentlich hatte ich ihn genau für diese Reise genäht. Kurz kam mir der Gedanke von Textilkleber und im Austausch mit Kathleen scheint ein Einsatz von Textilkleber eine gute Sache zu sein. Ich hatte bislang keine Erfahrung. Zack Textilkleber verwendet, welcher zwischenzeitlich (nach Rückkehr) einen gelben Streifen hinterlassen hat.
Es gibt keine Urlaube, bei welchen wir mit weniger Gepäck zurückkehren. Souvenirs sind immer dabei. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Handgepäck komplett ausgenutzt wird, war entsprechend hoch. Immerhin ist ja auch das Gewicht des Koffers relevant. Als Kathleen dann auch noch von der Verwendung als Reisegepäck abriet, war die Entscheidung gefallen. Nun liegt er hier, mein Rucksack Veiiko, nahezu ungenutzt. Der RV muss an allen Schließfächern ausgetauscht werden, andernfalls ist mir der Einsatz zu riskant. Noch fehlt mir die Energie für dieses Projekt und um einen neuen RV muss ich mich auch erst noch kümmern.
Der größte Dank geht an dieser Stelle an Kathleen für die umfassende Unterstützung bei der Auswahl des verwendeten Materials und auch für ihre mentale Unterstützung beim großen Desaster.
Aus den Stoffresten habe ich mir für unseren Urlaub noch eine Bauchtasche Hansedelli Rikka genäht. Zum Glück war der RV nahezu aufgebraucht, sonst wäre er wohl hier auch zum Einsatz gekommen 😉
Inzwischen stellt sich hier bei uns der Herbst ein und damit eigentlich Zeit für die Nähmaschine. Projekte habe ich einige, aber aktuell fehlt mir die Lust.
Ich hoffe dann auf bald,
liebst Birgit
Oh je, das klingt ja wirklich nicht nach einem guten Ende und das nach der ganzen Arbeit. Wie schade. Ich hab hier auch noch ein Taschenprojekt rumliegen, aber neben dem Material, das mich nicht überzeugt, schreckt mich auch das Thema “Haltbarkeit” und eine sehr umfangreiche Anleitung ab …
LG Miriam
Ach wie ärgerlich! Ich kann mir gut vorstellen, wie frustriert du nach dieser Sache bist! Ich hatte vor einer Weile meine große Delaribag ausgetauscht und hab eigentlich genau die gleiche genäht wie davor, die erste hat mehrere Jahre gehalten bis das Kunstleder brüchig wurde. Beim zweiten hat es nicht mal ein paar Wochen gedauert, bis die Zähne aus dem (namhaften…) RV ausgebrochen sind. Da weiß ich, dass es definitiv nicht an meiner Trageweise oder der Nähqualität lag. Das macht einen dann noch saurer, wenn der Fehler nicht mal bei einem selber lag. Ich hoffe die Reparaturaktion klappt und du verlierst die Freude am Taschen nähen nicht. Obwohl es sich tatsächlich seltenst finanziell lohnt 🤣…
Das ist ja eine ganz ärgerliche Geschichte. So ein Aufwand und Deine wie immer tolle Vorbereitung und dann das! Ich finde gar keine so richtig tröstlich Worte außer der Empfehlung, das Problem nach einer Rucksackpause nochmal anzugehen – mit stabilem Reißverschluss. Es ist doch viel zu schade um dir ganze Arbeit und den schönen Stoff. Die Blumen im Marimeko-Stil gefallen mir so gut. Ich drücke die Daumen für ein gutes Ende – vielleicht wieder mit Hilfe und Motivation Deiner Nähfreundin? Und ich speichere für mich die Erkenntnis ab, dass ich bei wenigen kleinen Taschen bleibe und mich an solchen Mamutprojekten nicht ausprobiere. Liebe Grüße von Ins
Was für ein Wahnsinnsrucksack! (Ich will nur die guten Sachen schreiben, damit du hoffentlich bald die Freude an der Tasche findest 🙂 ) Ich hätte nie gedacht, dass diese Stoffe passen, aber sie tun es wirklich gut, deine Freundin hatte Recht. So ein individuelles Handgepäck haben wenige, hüstel, schwarzer Carry-On Trolley… Ich hoffe du kannst die Praktikabilität bei jedem Einsatz ausnutzen. Genieß dein tolles, aufwändiges, neues Nähwerk!
Grüße, Tina
Was für ein toller Rucksack und dann so was …. ich kämpfe gerade nur (!) mit einem Sackleinenstoff, den ich ungenügend versäubert habe, aber an dem nun meine Tochter hängt und versuche mich mit Textilkleber, Band und Stickkante. Dabei ich es nur ein schnödes Reisenackenkissen, das in unter einer Stunde neu genäht wäre …. bei so einem Werk wäre ich wohl verzweifelt.